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Ängste überwinden: Strategien für mehr Mut

Angst ist ein grundlegendes menschliches Gefühl, das uns evolutionär vor Gefahren schützt. Sie entsteht, wenn unser Gehirn potenzielle Bedrohungen erkennt und bewertet. Die Amygdala, eine kleine Struktur im Gehirn, spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie emotionale Reaktionen wie Furcht oder Stress auslöst. Während Angst in manchen Situationen lebensrettend sein kann, wird sie problematisch, wenn sie uns übermäßig einschränkt. Sie kann während einer Klausur zu einem Blackout führen, uns daran hindern sich als studentische Hilfskraft zu bewerben oder ein bestimmtes Praktikum zu wagen. Doch wie können wir unsere Ängste überwinden und mutiger werden?

In diesem Beitrag beleuchte ich, wie Ängste entstehen, warum sie uns oft stärker beeinflussen, als sie sollten, und stelle dir Strategien aus dem Buch „Feel Good Productivity: Produktiv sein ohne Stress – und mehr von Leben haben“ von Ali Abdaal vor, die dir helfen können, sie zu bewältigen. Vom bewussten Umgang mit Angst bis hin zu praxistauglichen Techniken wie der kognitiven Neubewertung oder dem „Batman-Effekt“ – hier findest du fundierte Tipps, um mutiger und freier durchs Leben zu gehen.


Angst verstehen: Der erste Schritt zur Überwindung

Um Ängste zu überwinden, darfst du sie zunächst verstehen. Angst ist eine natürliche Reaktion, die uns vor Gefahren warnt. Wenn wir z. B. einem Auto ausweichen, das auf uns zurast, ist diese Reaktion hilfreich. Doch im modernen Alltag sind die meisten Ängste keine unmittelbaren Gefahren mehr. Sie entstehen oft durch gedankliche Konstrukte: Was könnte passieren, wenn ich scheitere? Was, wenn ich kritisiert werde? Diese Angst vor möglichen Konsequenzen wird häufig durch übermäßige Sorgen verstärkt.

Tipp 1: Akzeptieren und Erkennen der Angst

Ein zentraler Schritt ist daher das Akzeptieren und Erkennen der Angst. Anstatt Ängste zu unterdrücken, sollten wir sie bewusst wahrnehmen. Negative Gefühle zu verdrängen, führt oft dazu, dass sie an Intensität gewinnen und uns stärker belasten. Indem wir unsere Ängste akzeptieren, schaffen wir Raum, um sie zu hinterfragen und konstruktiv mit ihnen umzugehen.


Tipp 2: Angst benennen – Kontrolle über das Gefühl gewinnen

Ein bewährter Ansatz im Umgang mit Angst ist es, sie zu benennen. Wenn wir unsere Angst bewusst aussprechen – sei es schriftlich, verbal oder in Gedanken –, distanzieren wir uns ein Stück weit von ihr. Dies hilft, das Gefühl weniger überwältigend erscheinen zu lassen.

Ein Beispiel: Anstatt einfach zu denken „Ich habe Angst“, könntest du formulieren: „Ich habe Angst vor der Prüfung, weil ich fürchte, nicht gut genug vorbereitet zu sein.“ Dieser Prozess, der auch als affektive Einordnung bezeichnet wird, macht die Angst greifbarer. Studien zeigen, dass das Benennen von Emotionen die Aktivität der Amygdala reduziert und somit die emotionale Intensität der Angst verringern kann.


Tipp 3: Angst loslassen – Trenne sie von deiner Identität

Häufig identifizieren sich Menschen mit ihrer Angst. Aussagen wie „Ich bin ängstlich“ oder „Ich bin ein unsicherer Mensch“ sind nicht nur verbreitet, sondern auch problematisch. Sie machen Angst zu einem Teil der eigenen Identität, was Veränderungen erschwert. Doch Ängste sind nur ein temporärer Zustand – nicht das, was du bist.

Ein hilfreicher Gedanke ist: Du bist nicht deine Angst.
Statt dich über deine Ängste zu definieren, kannst du lernen, sie als eine vorübergehende Erfahrung zu betrachten. Durch diesen Perspektivwechsel wird es leichter, mutige Entscheidungen zu treffen und sich von den Einschränkungen der Angst zu lösen.

Auch Gedanken wie „Ich bin nicht gut in XY“ stehen dir im Weg. Studien haben gezeigt, dass Menschen ihr Verhalten oft an dem ausrichten, mit dem sie sich selbst oder andere sie identifizieren. Denkst du also „ich bin undiszipliniert“, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du dich auch so verhältst.


Tipp 4: Kognitive Neubewertung – Hinterfrage das Worst-Case-Szenario

Unser Gehirn neigt dazu, das Schlimmste anzunehmen. Ein kleiner Fehler in einer Präsentation? „Alle werden denken, ich bin unfähig!“ Diese Tendenz, Szenarien zu katastrophalisieren, verstärkt Ängste unnötig. Hier kommt die kognitive Neubewertung ins Spiel.

Die kognitive Neubewertung hilft dir, negative Gedanken kritisch zu hinterfragen und realistischere Perspektiven zu entwickeln. Frage dich:

  • Wie wahrscheinlich ist es, dass das Worst-Case-Szenario eintritt?
  • Welche Beweise habe ich dafür, dass meine Befürchtungen gerechtfertigt sind?
  • Und selbst wenn etwas schiefgeht – was wäre die Folge, und könnte ich damit umgehen?

Dieser Prozess ermöglicht es dir, Ängste zu relativieren. Oft wirst du feststellen, dass die Realität weitaus weniger beängstigend ist, als dein Kopf dir einredet.


Tipp 5: Die Kraft des Sich-Stellens

Ein weiterer wichtiger Schritt, um Ängste zu überwinden, ist sich der Angst bewusst auszusetzen. Studien zeigen, dass es eine der effektivsten Methoden ist, um Ängste langfristig abzubauen.

Das Prinzip ist einfach: Indem du dich wiederholt angstauslösenden Situationen stellst, lernt dein Angstzentrum, dass es überreagiert hat und reagiert beim nächsten Mal weniger heftig. Die Angst nimmt also ab. Das gleiche gilt andersherum. Wenn du dich solchen Situationen entziehst, lernt deine Amygdala, dass sie erfolgreich war und reagiert das nächste Mal noch stärker.

Beginne in kleinen Schritten: Wenn du z. B. Angst hast, vor Menschen zu sprechen, könntest du zunächst in einer vertrauten Gruppe üben und dich langsam steigern. Wichtig ist, dir Zeit zu lassen und dich für jeden Erfolg zu belohnen.


Tipp 6: Der Batman-Effekt

Manchmal hilft es, eine neue Rolle einzunehmen. Hier kommt der Batman-Effekt ins Spiel. Diese Technik basiert darauf, sich selbst vorzustellen, man sei eine bewundernswerte Figur – wie ein Superheld, eine inspirierende Persönlichkeit oder ein fiktiver Charakter.

Suche dir einen inspirierenden Charakter aus und stelle dir vor der schwierigen Situation vor, dass du dich in diese verwandelst. Das klingt zwar befremdlich, funktioniert aber. Diese Technik nutzten Stars wie Beyoncé und Adele für ihre Auftritte.

Der Effekt wurde in Studien nachgewiesen: Menschen, die sich vorstellen, eine starke oder mutige Figur zu sein, zeigen tatsächlich mehr Ausdauer und Resilienz. Es ist ein einfacher, aber wirkungsvoller Trick, der auch im Studienalltag oder bei Prüfungsangst hilfreich sein kann.


Tipp 7: Du bist nicht der Mittelpunkt

Ein weiteres Phänomen, das Ängste verstärken kann, ist der Spotlight-Effekt. Er beschreibt die Tendenz, zu glauben, dass andere viel mehr auf uns achten, als sie es tatsächlich tun. Wenn du z. B. in einer Vorlesung stolperst, denkst du vielleicht: „Alle haben das gesehen und lachen über mich!“ In Wahrheit nehmen die meisten Menschen solche Situationen kaum wahr, weil sie selbst mit ihren Gedanken beschäftigt sind.

Das Wissen um den Spotlight-Effekt kann entlastend sein. Mach dir bewusst, dass deine „Fehler“ meist viel weniger auffallen, als du denkst. Dadurch wird es leichter, entspannt zu bleiben und mutiger zu handeln.


Langfristige Strategien, um mutiger zu werden

Neben den oben genannten Techniken gibt es weitere Ansätze, die dir helfen können, langfristig mutiger zu werden:

1. Positive Selbstgespräche führen

Unsere innere Stimme hat einen enormen Einfluss auf unser Verhalten. Statt dich selbst zu kritisieren, versuche, dir Mut zuzusprechen. Ein einfaches „Ich schaffe das“ kann deine Einstellung grundlegend verändern.

2. Mit kleinen Schritten beginnen

Große Ängste wirken oft überwältigend. Indem du kleine, erreichbare Ziele setzt, kannst du nach und nach mehr Selbstvertrauen gewinnen.

3. Unterstützung suchen

Es kann hilfreich sein, mit anderen über deine Ängste zu sprechen – sei es mit Freundinnen, Mentorinnen oder Therapeut*innen. Der Austausch gibt dir neue Perspektiven und zeigt dir, dass du nicht allein bist.

4. Dankbarkeit praktizieren

Studien zeigen, dass Dankbarkeit unsere Perspektive auf das Leben verändert und Ängste verringern kann. Wenn du regelmäßig Dinge aufschreibst, für die du dankbar bist, entwickelst du eine positivere Einstellung.


Fazit: Mut ist trainierbar

Angst ist ein natürlicher Teil des Lebens, aber sie muss dich nicht beherrschen. Mit Strategien wie dem bewussten Akzeptieren der Angst, der kognitiven Neubewertung oder dem Batman-Effekt kannst du lernen, sie zu überwinden und mutiger zu werden. Es braucht Zeit und Geduld, aber jeder kleine Schritt zählt.

Am Ende gilt: Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern trotz der Angst zu handeln. Du hast die Fähigkeit, mutig zu sein – und mit den richtigen Werkzeugen kannst du es schaffen.

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