Nach einer monatelangen intensiven Stressphase ist es endlich geschafft: Das Examen liegt hinter dir. Du hast das Pensum bewältigt, das Material durchgearbeitet, die Klausuren geschrieben – und nun? Plötzlich kehrt Ruhe ein. Doch anstatt einer ungetrübten Erleichterung treten oft unerwartete Emotionen und Gedanken auf. Warum ist das so, und wie gehst du gesund damit um?
Warum die Emotionen hochkommen und du damit nicht alleine bist
Nach einer intensiven Phase des Lernens und der Prüfungsvorbereitung befindest du dich in einem Zustand höchster Anspannung. Dein Körper schüttet während dieser Zeit Stresshormone aus, die dich auf Kurs halten und dir dabei helfen, Leistung zu bringen. Sobald diese Stressphase endet, kommt es zu einem regelrechten hormonellen „Abfall“. Dein Nervensystem schaltet in den Entspannungsmodus, und der Körper beginnt, die aufgestaute Spannung abzubauen. Das ist ein vollkommen normaler Prozess – doch er kann dazu führen, dass Emotionen, die während des Lernens verdrängt wurden, plötzlich in den Vordergrund treten.
Dazu kommt, dass das Examen eine Art „Schlusspunkt“ setzt. Das Ziel, auf das du so lange hingearbeitet hast, ist plötzlich erreicht – und das kann ein Gefühl der Leere auslösen. Ein ganz häufiges Phänomen, welches ich selbst intensiv nach dem ersten Staatsexamen erlebt habe, ist die Ernüchterung, dass man nicht wie erwartet „jetzt endlich glücklich ist“. Das Bestehen dieser harten Prüfung, hat in mir kurze unfassbare Freude ausgelöst, die sich aber schnell wieder gelegt hat. Dieses typische „wenn… dann bin ich glücklich“ tritt jedoch nicht ein. Das ist völlig normal, kann aber sehr schmerzhaft sein.
Ich habe in meinem Umfeld leider auch erlebt, dass sich Examenskandidaten von dem Stress nicht so leicht erholt haben. Solltest du das Gefühl haben, Hilfe zu benötigen, kann ich dir die psychotherapeutischen Beratungsstellen an den Universitäten empfehlen. Für Würzburg, findest du diese unter folgendem Link.
Häufige Gedanken und Gefühle nach dem Examen
Viele Studenten und Studentinnen erleben nach dem schriftlichen Examen eine Vielzahl von Emotionen. Hier sind einige der häufigsten:
- Erleichterung: Der Stress ist endlich vorbei, und du hast es geschafft.
- Zweifel: „Habe ich genug geschrieben? War meine Antwort korrekt?“
- Leere: Nach so viel Struktur und Zielstrebigkeit fehlt plötzlich der Fokus.
- Ermüdung: Dein Körper und Geist verlangen nach Ruhe.
- ggf. wenn du erst die schriftliche Prüfung abgeleistet hast – Angst vor dem Ergebnis: Wie wird die Bewertung ausfallen? Habe ich bestanden?)
Diese Gefühle sind nicht nur normal, sondern auch ein wichtiger Teil der Verarbeitung. Indem du ihnen Raum gibst, trägst du aktiv dazu bei, den Übergang von der Stressphase zur Ruhephase zu erleichtern.
Tipps für den Umgang mit den Emotionen
Damit du diese Phase gut bewältigst, helfen dir die folgenden Strategien:
1. Akzeptiere deine Gefühle
Erlaube dir, alles zu fühlen, was hochkommt. Es ist in Ordnung, erschöpft, traurig, ängstlich oder sogar euphorisch zu sein. Du musst nicht sofort „funktionieren“ oder alle offenen Fragen klären. Dein Körper und Geist benötigen Zeit, um sich zu regenerieren.
a) Mithilfe von Mediation
Eine große Hilfe für mich selbst war die Mediation. Vielleicht hängt dir dieser Begriff schon aus dem Hals raus, aber ich möchte dir diese Empfehlung dennoch mitgeben. Denn, nach der Zulassung zur mündlichen Prüfung, verfiel ich in einer absoluten Panik, die ich so von mir nicht kannte. Das einzige, was mir half (und es half mir sehr!) war tägliche Meditation. Das war meine erste Berührung mit dieser Praxis.
b) Mithilfe von Journaling
Tagebuchschreiben kann dir helfen, deine Gefühle und Gedanken aus deinen Kopf zu schreiben. Insbesondere bei Ängsten habe ich die Erfahrung gemacht, dass mir so bewusst wurde, wie viele Angstgedanken in meinem Kopf umherschwirren und wie wenig dieser Ängste tatsächlich eingetreten sind. Mir hilft es in Momenten der Angst diese Seiten nochmal durchzulesen und zu realisieren, dass sich keine der von mir niedergeschriebenen Sorgen erfüllt haben. Auch die Angst vor dem Schreiben selbst, weil ich befürchtete, dass so meine Ängste realer werden, bewahrheitete sich nicht.
2. Setze dich nicht unter Druck Spaß zu haben
„Jetzt ist die Zeit, um dir wirklich etwas Cooles zu machen!“ – diesen Satz habe ich von allen Seiten gehört. Meinen Freunden, die nach mir das Staatsexamen geschrieben haben, rate ich allerdings das Gegenteil: „Du darfst dich jetzt müde, schlecht und unglücklich fühlen.“ Ich beschäftige mich viel mit positiver Psychologie und ich bin dafür, dass wir alle Optimist:innen werden. Aber das ist nicht gleichzusetzen mit toxischer Positivität. Denn jemand, der berechtigterweise völlig erschöpft ist und sich selbst nicht erklären kann, wieso er oder sie nach einem solchen Meilenstein nur so vor Freude strotzt, empfindet enormen Druck bei meiner erstgenannten Aussage. Ich merke selbst die Erleichterung, wenn ich den Betroffenen „erlaube“ sich schlecht zu fühlen. Wenn du also merkst, dass du Gedanken wie „Wieso bin ich denn jetzt nicht glücklich? Was stimmt nicht mit mir?“ hast, erlaube dir die schwierigen Emotionen zu fühlen.
3. Teile deine Gedanken
Spreche mit anderen über deine Erfahrungen. Ob Freunde, Familie oder Kommilitonen – oft hilft es schon, die eigenen Zweifel und Gedanken auszusprechen. Du wirst feststellen, dass du nicht allein mit diesen Gefühlen bist. Ich hoffe, dass mein Beitrag dir dieses Gefühl vermitteln kann. Ich versuche regelmäßig von meinen eigenen Erfahrungen zu berichten. Als geborene Grüblerin war für mich die Zeit nach dem Examen herausfordernd. Insbesondere nach dem zweiten, da ich nun wirklich Zeit hatte nachzudenken.
Ein Fazit: Der Weg geht weiter
Nach dem schriftlichen Examen kommt es oft zu einem emotionalen Wellengang. Das ist normal und kein Grund zur Sorge. Vielmehr ist es eine Chance, innezuhalten, durchzuatmen und Kraft zu sammeln. Nutze diese Zeit, um gut zu dir selbst zu sein, und erinnere dich daran, wie viel du bereits erreicht hast. Was auch immer die Ergebnisse bringen – du hast diesen wichtigen Schritt gemeistert, und darauf kannst du stolz sein.
Nochmals die wichtige Anmerkung: solltest du das Gefühl haben Hilfe zu benötigen, wende dich an Experten. Eine gute Anlaufstelle ist die psychotherapeutische Beratungsstelle, die an vielen Universitäten und Hochschulen zu finden ist. Für Würzburg findest du die Webseite hier.
