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Wie du nachhaltig und gesund mit deiner Prüfungsangst umgehst

Bei der Prüfungsangst handelt es sich um eine situative Angst. Wie der Begriff schon sagt, fühlst du Angst vor einer Prüfung. Folgende Aspekte sind aber auf alle situative Ängste anwendbar, wie z.B. der Angst vor dem ersten Date. Ich möchte dir erstmal kurz den Hintergrund der Prüfungsangst erläutern und dir danach Inspirationen an die Hand geben, wie du nachhaltig gesund mit deiner Prüfungsangst umgehst.

    Ich möchte dir kurz einen Einblick geben, weshalb die Prüfungsangst so stark in unserer Gesellschaft integriert ist. Ihr Ursprung liegt in unserer Leistungsgesellschaft. Wir haben schon als kleine Kinder gelernt, dass wir geliebt werden, wenn wir etwas gut machen z.B. gute Noten bekommen. Und wenn nicht, dann haben wir Ablehnung erfahren, die uns verletzt hat und zu schwierigen Gefühlen geführt hat. Wichtig zu wissen ist, dass Liebe und Nähe ein Grundbedürfnis ist. Das zeigte ein schreckliches Experiment im Mittelalter, von dem du vielleicht schon gehört hast: Säuglinge, die alles zum Überleben (wie Wasser und Nahrung) bekommen haben, aber keine Zuneigung und Liebe sind verstorben. Für Kinder ist Nähe also sogar überlebenswichtig. So lernen wir in unserer Kindheit “wenn ich viel leiste, werde ich geliebt” und verknüpfen das Grundbedürfnis der Liebe mit unserer Leistung. Auch später im Studium bleibt diese Verknüpfung noch bestehen.

      In einer Harvard-Studie wurden Studenten in zwei Gruppen geteilt. Eine Gruppe sollte die Prüfung so wie immer schreiben ohne etwas zu verändern. Der zweiten Gruppe wurde erzählt, dass das was sie in ihrem Körper erleben für sie da ist. Ihnen wurde also erklärt, dass all die Angstsymptome, wie das starke Herzklopfen, Schwindel, Schweiß, schnelle Atmung, Zittern, Unruhe und kreisende Gedanken, für sie da waren und nicht gegen sie waren. Dass sie einen Zweck hatten, der positiv ist. Oft lehnen wir die Angst und ihre Symptome ab. Was verständlich ist, denn mal ehrlich, es fühlt sich verdammt unangenehm an! Aber diese Ablehnung erzeugt zusätzliche Spannung.

      Den Studenten der zweiten Gruppe wurde gezeigt, dass die Angst eigentlich eine Aktivierung des Körpers ist, durch welche man leistungsfähiger wird und besser denken kann. Das diese Angst für sie da ist. Ihnen hilft die Prüfungssituation zu meistern.

      Das Ergebnis: die zweite Gruppe war deutlich entspannter und hat bessere Ergebnisse als die erste erzielt.

      Die Angst ist nicht dafür da, um uns im Weg zu stehen oder uns gar zu ärgern. Sie soll uns vor Gefahren schützen. Dein Körper versucht dich zu beschützen, es ist gewissermaßen ein Ausdruck von Liebe, wenn man es romantisiert ausdrücken möchte. Die Angst führt dazu, dass sich unsere Sinne schärfen. Sogar der Schweiß soll laut Vermutungen von Forschern dazu führen, dass im Fall eines Angriffs unsere Haut glitschig ist, sodass wir uns schneller aus den Klauen des Angreifers befreien können. Spannend oder? Die Angst erhöht also unsere Leistungsfähigkeit. Auch wenn Prüfungsangst sich unangenehm anfühlt, so hilft sie deinem Gehirn in den Leistungsmodus zu finden, sodass es wach und konzentriert ist.

        Angst ist also ein evolutionär natürliches Programm. Sie geht auch ganz natürlich wieder fort. Sehr interessant ist, dass bei natürlichem Umgang mit Emotionen, diese gerade mal 90 bis 120 Sekunden im Körper bleiben und dann wieder abfließen. Natürlich können sie nach kurzer Zeit wieder auftreten. Bleiben aber dann wieder (bei natürlichem Umgang) maximal 120 Sekunden im Körper.

        Aber halten wir sie künstlich aufrecht, indem wir dagegen kämpfen oder grübeln, bleiben die Emotionen länger in unserem System. Die Symptome der Angst sind aber nicht gefährlich. Wenn wir lernen sie anzunehmen und nicht abzulehnen, können wir dem künstlichen Aufrechterhalten entgegenwirken und endlich wieder zu unserem natürlichen Programm zurückkehren.

        Wie du durch die oben genannte Harvard-Studie gelernt hast, steht die Bewertung deiner Angst oder das ständige Denken an Horrorszenarien dem gesunden Umgang mit ihr im Weg. Das passiert schnell, wenn du folgende Gedanken hast:

        • “Ich werde niemals bestehen.”
        • “Ich schaffe das nicht.”
        • “Es wird sicher eine ganz furchtbare Prüfung.”

        Dadurch fügst du in das Lagerfeuer der Angst weiter Holz hinzu, sodass die Flammen nur größer werden. Deine Angst wird stärker und stärker.

        • “Wieder bin ich so unglaublich rot im Gesicht. So peinlich.”
        • “Natürlich muss ich wieder wie aus Eimern schwitzen! Was werden die Prüfer denken?”
        • “War ja klar, dass ich wieder zittere. So werden alle meine Unsicherheit sehen!”

        Dadurch erzeugst du Widerstand. Deine Angst kann nicht natürlich abfließen, wie es dein evolutionär natürliches Programm vorgesehen hat. Um dem entgegenzuwirken, kannst du aktiv folgendes denken:

        • “ich darf aufgeregt sein”
        • “mein Körper hat alles um gesund mit der Angst umgehen zu können”
        • “es ist okay, dass ich mich so fühle”
        • „ich darf schwitzen“
        • „ich darf stottern“

        Um von deinen kreisenden Gedanken wegzukommen, kannst du Achtsamkeitsübungen praktizieren. Vielleicht hast du ja auch einen kleinen Glücksbringer, den du in die Hand nehmen kannst oder du suchst dir etwas anderes. Dann gehst du wie folgt vor:

        Betrachte das Objekt, als ob du es zum allerersten Mal in deinem Leben siehst:

        1. Wie ist es geformt?
        2. Welche Farbe hat es?
        3. Welche Struktur?
        4. Welche besonderen Details hat es?

        Als nächstes konzentrierst du dich auf das Fühlen:

        1. Wie fühlt sich die Oberfläche an?
        2. Kann man das Objekt eindrücken oder ist es hart?
        3. Wie riecht es? (Falls du unauffällig daran riechen kannst, ohne das dich jemand schief ansieht warum du an deinem zotteligen Teddybär-Schlüsselanhänger riechst).

        Das gleiche kannst du übrigens machen, wenn du etwas isst. Lass es eine Weile auf deiner Zunge liegen und fühl mit dieser die Konsistenz und den Geschmack.

        Wissenschaftlich erwiesen schüttet dein Gehirn weniger Stresshormone aus, wenn du solche Übungen praktizierst. Dadurch lernt deine Amygdala (= Angstzentrum), dass sie nicht so stark reagieren muss und wird das nächste mal etwas gelassener reagieren.

        Vielleicht hilft dir an dieser Stelle meine eigene Erfahrung. Ich litt erheblich unter Versagensängsten. Durch solche achtsamen Übungen habe ich tatsächlich mittlerweile einen enormen Unterschied bemerkt. Meine Prüfungsangst hat sich unfassbar dezimiert. Natürlich solltest du dir Zeit geben. Das wird nicht beim ersten Mal klappen. Gib also bitte nicht auf. Es ist wie beim Sport. Es wird von mal zu mal besser.

        (Ach, und zu deiner Beruhigung: meine Leistungsfähigkeit ist gleich geblieben – wohl sogar besser. Dem Spruch “nur die Harten kommen in den Garten”, solltest du deshalb nicht zu viel Vertrauen schenken).

        Viel Erfolg bei deinen Prüfungen!

        Deine Jenni


        Achtsamkeit statt Angst und Panik (von Peter Beer)

        Das Anti-Angst Buch (Gustav Cobos mit Petra Thorbrietz)

        Liebe Angst, Zeit, dass du gehst (Anett Möller)


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